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Jörg Fauser

Blues für Blondinen. Essays zur populären Kultur (1984)

Der Band enthält Essays, Feuilletons, Kolumnen und Reportagen, die Fauser zwischen 1979 und 1983 in den Zeitschriften ‘lui´ und ‘TransAtlantik´, sowie im Berliner Magazin ‘Tip´ (bzw. Literaturtip) und in der ‘Basler Zeitung´ veröffentlicht hat. Der letzte Text der Sammlung, ein Feuilleton über ein japanisches Liebeshotel und zugleich eine Hommáge an Cathérine Deneuve ("Die letzte Königin") wurde extra für diesen Band geschrieben.

Der Untertitel von Fausers Sammlung, Essays zur populären Kultur, faßt inhaltlich zu kurz und ist vermutlich ein strategisches Signal an die Leser: Denn Fauser geht es in seinen Essays und Kolumnen darum, zu zeigen, wo "Deutschland auf den Begriff gebracht" ist. Ein Deutschland, das nur noch als schwacher Abglanz seiner selbst existiert: "Deutschland ist untergegangen mit Tucholsky und Joseph Roth, mit Ossietzky und Toller, im Exil an Stricken und Leberzirrhosen und und an Sprachlosigkeit und Schlaftabletten, in Lagern, in den Gasöfen, an den Rampen, in den Bombennächten, in den Massengräbern, jetzt gibt es BRD und DDR und West-Berlin, Deutschland ist das nicht mehr und wird das nie mehr werden." ‘Kultur´ meint daher die Gesamtheit der Diskurse (Politik, Geschichte, Kunst, Literatur, Musik usw.), die für die Bundesrepublik Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre relevant sind. Das Spektrum der politischen Ansichten Fausers erreicht eine große Bandbreite von ‘rechts außen´ (die Deutschen "als gelerntes Kolonialvolk") bis ‘links außen´ ("Immer noch ist der Beruf des Rebellen unentbehrlich"). Von anarchistischen Positionen schlägt der Autor mühelos seinen Bogen zum Plädoyer für ‘law and order´: "Ruhe und Ordnung, gewiß, darunter ist viel begraben, doch wünsche ich mir diese honetten Kleinbürger, diese biederen Arbeiter und Bauern auch nie mehr dem Chaos ausgesetzt [...]." Fausers Reportagen zielen in ihrer Gesamtheit auf einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft, vom Bodensatz bis zu den Chefetagen. Er interessiert sich für die Atomlobby ebenso wie für den Papst-Besuch in Deutschland. Manches ist von der Zeit korrigiert worden, denn nicht der "schnelle Brüter" von Kalkar, sondern ‘Tschernobyl´ wurde zum "Menetekel des Plutonium-Zeitalters". Fauser zieht eine negative Bilanz des Sozial- und Parteienstaats Bundesrepublik ("Koalition aus Selbstversorgern und Sozialempfängern"); er zeichnet ein düsteres Bild Berlins, ist viel in Deutschland unterwegs, und was er dort sieht, trägt "Züge der Apokalypse". In "Kein schöner Land" (1979 im Oktoberheft der Zeitschrift ‘lui´ erschienen) und spekuliert über die Kontinuität von ‘Auschwitz´. An die Möglichkeit einer Wiederholung scheint er nicht zu glauben, eher an eine ORWELLsche "Überwachungsindustrie", die sich für den Autor in jenem "ganz großen Computer" manisfestiert, "der bald unter der Ägide des BKA installiert werden wird" und die Fahnung zentraleuropäisch koordinieren soll. In seinen Essays und Portraits bricht er Lanzen unter anderem für den Dramatiker Chr. D. GRABBE (1801 – 1836), der "mit den Füßen im Kot nach den Sternen" griff, für H. FALLADA, J. ROTH, für Spionage-Thriller und Kriminalromane, R. CHANDLER und D. HAMMETT, E. AMBLER und J. LE CARRÉ, für den Boxkampfsport und den Rockmusiker Achim Reichel. Hier stimmt es wieder, das Label "Essays zur populären Kultur". Fausers journalistische Arbeiten bestechen, ebenso wie seine erzählenden Schriften und sein lyrisches Werk, durch den unangestrengt wirkenden Stil, der überwiegend entschiedene Urteile transportiert – mit viel Witz, viel Skepsis und kühler Distanz. Lutz Hagestedt

AUSGABEN:
Frankfurt/M., Berlin, Wien 1984 (= Ullstein Pupuläre Kultur 36504).
Hamburg 1990 (in J. F. Edition, Hg. C. Weissner, Bd. 6).
Erneut Hamburg 1994 (in J. F. Edition, Hg. C. Weissner, Bd. 5-8).

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